Höhenkurven der Freuden und Leiden auf dem Weissenstein

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03.11.2022 • Wanderpapa

Höhenkurven der Freuden und Leiden auf dem Weissenstein

Das Wanderwochenende auf dem Weissenstein – und die Woche davor – waren ein einziges Auf und Ab. Erst stimmungsmässig, dann topografisch. Das verleitete mich schliesslich dazu, auf dem Balmfluechöpfli ein Höhenprofil der besonderen Art zu zeichnen: Die Höhen und Tiefen der Wanderung verglichen mit der Laune aller Beteiligten. Die Anleitung dazu.

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Die Höhenkurven der Kinder (gestrichelt), des Wanderpapas (gepunktet) und der Topografie (ausgezogene Linie).

1. Montag, 5 days to go

Meine Stimmung – die gepünktelte Linie – ist wunderbar. Ich plane eine Wochenendwanderung im Solothurnischen, ich habe diverse Optionen und entscheide mich schliesslich auf jene, die vom Grenchenberg über den Weissenstein auf den Oberbalmberg geht. Mein Hintergedanke: eine spektakuläre Wanderung auf Flühe und kleine Gipfel mit einer Übernachtung vor Ort. Schliesslich das fulminante Ende im Seilpark Balmberg.  Da hat es für alle was dabei, für den achtjährigen Lichterprinz, die zwölfjährige Zauberfee und den fünfzehnjährigen Zwergenkönig. Die Kinder wissen noch nichts.

2. Dienstag/Mittwoch, 4 bis 3 days to go

Ich schlage den Kindern die Wanderung vor, spreche immer wieder etwas davon und versuche, sie ihnen schmackhaft zu machen. Der Seilpark kommt erwartungsgemäss spontan supergut an. Die Äusserungen zur Wanderung sind zurückhaltend, auch weil ich nie richtig dazukomme, sie zu erklären. Meine Stimmung also immer noch gut, jene der Kinder (gestrichelte Linie) diffus.

3. Donnerstag, 2 days to go

Beim Znacht finde ich endlich eine ruhige Minute, um über die Wanderung zu sprechen. Erkläre alles und frage schliesslich, ob wir am Samstag um 07:15 oder erst um 09:15 starten wollen. Ruhe am Tisch…. Und dann kommt der Ausbruch: «Ich komme nicht mit!», platzt aus dem Zwergenkönig heraus, er bringt auf den Tisch, was er seit Tagen nur denkt. Und überhaupt, das Wandern mit der Familie sei sowieso langweilig, eigentlich wandere er gar nicht mehr gerne. Peng! «So fühlt es sich an, wenn der erste Sohn nicht mehr gerne wandert», denke ich, äusserlich ruhig, innerlich stürzt meine Höhenkurve natürlich in die Tiefe, obwohl ich diesen Tag ja schon seit Langem habe kommen sehen und mich darauf vorbereitet habe. Ich akzeptiere den Entscheid natürlich und fordere vom Sohn bis Freitagabend ein ungefähres Programm, was er denn am Wochenende zu Hause zu tun gedenke.

Leider kränkelt jetzt noch die Wandermama, auch sie meldet sich ab, und die Zauberfee moniert sofort, dass sie also dann schon nicht als einzige Frau mitzukommen gedenke. Wir organisieren also kurzfristig ihre 22-jährige Cousine, die freudig zusagt. Hätten wir das also auch.

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    Der neue Fotoapparat im Einsatz – hier an der Wandflue.

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    Tochter und Cousine auf der Wandflue, mit Blick aufs Mittelland.

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    Die Wandflue imponiert den Kindern.

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    Weg über die Wandflue. Wunderschön.

    4. Freitag, 1 day to go

    Ich erhole mich langsam. Am Abend packen wir. Wir entscheiden uns für die spätere Startzeit.

    5. Samstag: Go!

    Mit Zug und Bus reisen wir auf den Untergrenchenberg, blicken sogar über ein kleines Wolkenmeer, wandern los (Höhenprofil der Wanderung = ausgezogene Linie). Mit der Cousine im Schlepptau ist das eine gute Sache, die Kinder geben sich keine Blösse und wandern tipptopp mit. Bald erreichen wir die Wandfluh, und diese imponiert den Kindern sehr. Der Weg führt direkt an der Fluh entlang, hat aber immer genügend Abstand zum Abgrund, damit das nicht gefährlich ist. Immer wieder fotografieren wir, seit der Lichterprinz einen Fotoapparat zum Geburtstag erhalten hat, verfügen nun alle über ein Gerätchen zum Fötelen. Er tut dies mit viel Freude und einer sehr eigenwilligen Wahl des Bildausschnittes.

    Auf der Stallflue rätseln wir über lange, hohe Holzzäune, die wie verirrte Lawinenverbauungen aussehen. Wir haben nicht ganz unrecht: Sie wurden aufgestellt, damit sich im Winter keine Schneewechten bilden können, die dann abbrechen und Leute gefährden. Schliesslich machen ein Feuer, bräteln unsere Cervelats bzw. veganen Würste. Stimmung bisher: gut bis sehr gut.

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      Auf der Stallflue, Blick zurück zur Wandflue.

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      Die Holzzäune stellen uns ein Rätsel: Wozu dienen sie?

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      Bräteln auf der Stallflue.

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      Die Hasenmatt ist gut besucht, das Gipfelbuch

      Nach dem Essen kommt der Einbruch: Niemand ausser mir will noch was wissen von der Hasenmatt, der höchsten Solothurnerin. 120 Höhenmeter sind es noch, als wir uns trennen: Ich fliege dem Gipfel entgegen, die Cousine nimmt zusammen mit den Kindern die Abkürzung übers Althüsli. Mir solls recht sein: Die Aussicht auf der Hasenmatt ist wunderschön, es hat sogar ein vollgekritzeltes Gipfelbuch – ich quetsche meinen Namen zwischen die letzten Beiträge. Und mache Fotos mit drei Apparaten: Die Kinder wollen doch schon nicht ohne Fotos vom Gipfel zurückkehren, sie haben mir deshalb ihre Kameras mitgegeben. Die anderen Gipfelstürmer schauen mir etwas verdutzt beim Knipsen zu. Dann wandere ich wieder runter und den anderen hintennach. Unterhalb der Gitziflue erreichen wir die breite Landwirtschaftsstrasse mit Steinchen, die mich schon bei der Planung skeptisch gemacht hat. Wie erwartet sinkt die Stimmung der Kinder in den Keller. Mit kleinen Spielen schaffen wir die letzte dreiviertel Stunde bis zum Hotel Weissenstein mit Müh und Not.  

      6. Sonntag: Let’s go again! Oder nicht?

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        Im Aufstieg auf die Röti, auch ohne Kinder glücklich.

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        Blick von der Röti Richtung Osten…

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        … und Richtung Balmberg. Wo der Seilpark wartet.

        Beim Zmorge kommts, wie es kommen muss: Die Kinder wollen möglichst rasch in den Seilpark. Wandern? Nö, keine Lust. So geht es eben mit diesen Belohnungen, denke ich mir insgeheim. Auch die Cousine der Kinder findet, es reiche ihr mit Wandern. Und so kommen wir zwischen Gonfibrot und Müesli zum Schluss, dass ich alleine losziehen darf und die Cousine das Motivationscoaching meiner Kinder auf dem breiten Wanderweg nach Balmberg übernimmt. So steige ich erst auf die Röti, dann auf das Balmfluechöpfli, und meine Laune steigt mit jedem Höhenmeter gemütlichen Alleinwanderns. Im Wissen darum, dass die Kinder in diesem Moment noch ausgiebig Bildschirmzeit auskosten, habe ich hier mein eigenen Fern-Sehen: Eine Wolkendecke liegt über dem Mittelland, im Hintergrund sind die Alpengipfel zu erkennen, etwas diesig zwar, aber trotzdem schön. Ich peakfindere etwas, suche auf der Karte die Namen der Dörfer unter mir und zeichne eben besagtes Höhenmodell. Den Schluss der Kinder-Höhenkurve zeichne ich auch schon ein – eine Kristallkugel brauche ich dazu nicht – die Kurve führt steil hinauf. Und als ich schliesslich auf dem Balmberg ankomme, komme ich kaum mehr dazu, mein Zmittag zu essen, bevor ich herzklopfend über luftige Tritte balanciere und am Seil hängend eine Tyrolienne hinunterbrause – mit viel Kinderlachen im Ohr.

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        Am Ziel der Kinderträume – im Seilpark Balmberg.

        Wanderpapa

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