Rechtliches und Haftungsfragen
Wie ist die Haftung bei Unfällen und Zwischenfällen geregelt?
Wer einen Winterwanderweg oder eine Schneeschuhroute anlegt, unterhält und signalisiert, hat dafür zu sorgen, dass die massgebenden Sicherheitsanforderungen eingehalten sind (Gefahrensatz).
Aus einem Entscheid
des Kantonsgerichts Wallis vom Dezember 2017 geht Folgendes hervor:
«Zu dem Schneesport Winterwandern inhärente Gefahren gehört auch das Risiko,
bei rutschigen oder vereisten Wegpassagen die Kontrolle zu verlieren oder zu
stürzen. Dass Wegpassagen aufgrund der Witterungsverhältnisse trotz erfolgter
Präparierung mittels eines Pistenfahrzeugs teilweise rutschige oder vereiste
Stellen aufweisen können, ist nicht aussergewöhnlich und darf grundsätzlich
nicht zu einer Verschärfung der Haftung führen. Liegt keine besonders grosse
oder atypische Gefahr vor, besteht für die Verantwortlichen keine
Verpflichtung, zusätzliche Sicherungsvorkehrungen zu treffen. Die
Pistensicherungspflicht besteht nur im Rahmen des Erforderlichen und
Zumutbaren. Es wäre unverhältnismässig, wenn die Sicherungspflichtigen jede
rutschige oder vereiste Stelle eines Winterwanderwegs mit zusätzlichen
Sicherungsvorkehren […] sichern.»
Grundvoraussetzung sind eine ausführliche Regelung der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit (Pflichtenheft) in Bezug auf die Winterwanderwege sowie die Einhaltung der Sorgfaltspflicht.
Wegsicherungspflicht
Muss hinsichtlich Wegsicherungspflicht eine Unterscheidung von Winterwanderwegen und Schneeschuhrouten gemacht werden?
Winterwanderwege
und Schneeschuhrouten sind vor alpinen Gefahren zu sichern, insbesondere vor
Lawinen- und Eisschlag sowie vor Absturzgefahr, soweit es sich um atypische
Stellen (z.B. Übergänge über vereiste Bäche oder steile Runsen) handelt und
nicht um die Gefahr des Ausrutschens auf dem Weg selber. Das Gefahrenpotenzial
dürfte auf Schneeschuhrouten aufgrund der Linienführung in der Regel höher sein
als auf Winterwanderwegen.
Werkeigentümerhaftung
Greift die Werkeigentümerhaftung auf nicht präparierten, schneebedeckten Pfaden (z.B. Schneeschuhroute)?
Schneeschuhrouten
gelten mangels Präparierung von vornherein nicht als Werke im Sinne von Art. 58 OR. Bauliche Vorrichtungen aller Art inklusive Haltevorrichtungen wie Ketten,
Seile oder Geländer sind auch auf Schneeschuhrouten Werke im Sinne von Art. 58
OR.
Winterwanderwege
sind als Werke zu betrachten, sofern bestehende Wege präpariert sind.
Bei Wegen, die im
freien Gelände präpariert werden, bliebe die Werkeigenschaft offen. Analog zu
Skipisten, bei denen die Frage der Werkeigenschaft vom Bundesgericht bis heute
nicht abschliessend beantwortet wurde.
Falls
Winterwanderwege Werkeigenschaft haben, wäre der öffentliche
Verantwortungsträger als Werkeigentümer zu qualifizieren (siehe Leitfaden
«Gefahrenprävention und Verantwortlichkeit auf Wanderwegen» (verlinken), Ziffer
12.1.2).
Ein Werkmangel
könnte bei einem Winterwanderweg auch darin bestehen, dass ein Weg nach
Schneefall nicht innert nützlicher Frist wieder begehbar gemacht wird.
Beizug Dritter zur Aufgabenerfüllung
Wer haftet, wenn die Trägerschaft einzelne Aufträge an unterschiedliche Personen abgetreten hat und es zu einem Zwischenfall kommt?
Hier gelten die
Aussagen aus dem Leitfaden „Gefahrenprävention und Verantwortlichkeiten auf Wanderwegen“, Ziffer 14.2 (Beizug Dritter als Mittel der Aufgabenerfüllung). Ergänzend anzumerken ist,
dass der Auftragnehmer zusammen mit der Trägerschaft (das für Erstellung,
Unterhalt und Sicherung des Weges zuständige Gemeinwesen) solidarisch haftet.
Winterwanderweg auf gelbem Wanderweg
Verläuft ein Winterwanderweg auf einem gelb markierten Wanderweg, darf dieser dann ohne die Zustimmung der Grund- oder Wegeigentümerschaft signalisiert und begangen werden?
Ist ein privater Weg als gelber Wanderweg signalisiert und die Nutzung als solcher hinreichend rechtlich gesichert (Dienstbarkeit, Vertrag, explizite oder stillschweigende Widmung nach kantonalem Strassenrecht oder planungsrechtlich), dann wird man diesen Wanderweg in aller Regel auch als Winterwanderweg ohne weitere Zustimmung des:der Wegeigentümer:in nutzen können.
Vorbehalten bleiben Fälle, in
denen die Nutzung als Wanderweg explizit auf die schnee- und eisfreie Zeit
beschränkt wurde. Problematisch können ferner solche Fälle sein, in denen die
Nutzung als gelber Wanderweg auf einer stillschweigenden Widmung beruht
(infolge Nutzung über einen längeren Zeitraum) und man den Weg neu auch noch
als Winterwanderweg nutzen will. Deshalb ist es jeweils ratsam, die Zustimmung
der Grund- bzw. Wegeigentümerschaft einzuholen.
Abschnitte im Gelände
Was gilt es bei Abschnitten ausserhalb bestehender Strassen und Wege zu beachten?
Abschnitte im
Gelände erfordern eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG sowie allenfalls,
soweit durch Wald führend, eine forstliche Bewilligung. Die Bewilligungsbehörde
hat dabei eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen und insbesondere auch
den Schutz der Wildtiere vor Störungen zu berücksichtigen.
Verantwortung bei der Kommunikation
Welche Verantwortung muss bei der Kommunikation von Winterangeboten übernommen werden?
Die Werbung oder
Information vor Ort hat ein klares Bild der Signalisation, Gefahren und
Anforderungen der angebotenen Winterwanderwege und Schneeschuhrouten zu
vermitteln. Fehlerhafte Angaben können Haftungsfolgen nach sich ziehen.
Wegsperrung und Informationspflicht
Wie muss im Falle
einer Lawinengefährdung eine Wegsperrung erfolgen? Reicht es,
die Sperrung im Internet zu kommunizieren oder muss dies auch im Gelände
geschehen? Wie ist die Informationspflicht bei solchen
Gefahrensituationen?
Die Routensperrung
muss in jedem Fall auch im Gelände erfolgen. Die blosse Information im Internet
oder im Tourismusbüro, an den Bahnstationen etc. ist keinesfalls ausreichend.
Kreuzung mit anderen Wintersportaktivitäten
Sind Querungen von Skipisten/Kreuzungen mit andern Wintersportaktivitäten zulässig? Wer hat Vortritt? Wie müssen Querungen signalisiert werden?
Querungen von
Skipisten sind nach den Richtlinien der Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten (SKUS) sowie der Kommission
Rechtsfragen Schneesportanlagen von Seilbahnen Schweiz (KRS SBS) möglichst zu
vermeiden. [[Beides
verlinken]]
Lässt sich eine Querung nicht umgehen, so gilt Folgendes:
- Es gibt kein besonderes Vortrittsrecht. Massgebend ist vielmehr das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (analog Art. 26 SVG). Für Skifahrer folgt dies aus den FIS-Regeln Nr. 1 (Rücksichtnahme auf andere Pistenbenutzer) und Nr. 2 (Beherrschung von Geschwindigkeit und Fahrweise), für Winterwandernde und Schneeschuhlaufende sinngemäss aus den FIS-Regeln Nr. 1 und Nr. 6 (kein Anhalten an engen oder unübersichtlichen Stellen).
- Auf die verschiedenen Benutzerkategorien ist mittels des Warnsignals 12b der SKUS «Achtung Mehrfachbenutzung», auf Kreuzungen mit dem Gefahrensignal 7 «Kreuzung» hinzuweisen, auf der Piste ergänzt mit der Zusatztafel 7d «Kreuzung mit Fussweg».
- Es sind Ausweich- und Bremsräume zu schaffen, welche es den Benutzenden erlauben, gefahrlos auszuweichen, anzuhalten oder zu kreuzen.
- Bei unübersichtlichen Kreuzungen ist die Piste zusätzlich durch das Aufstellen des Warnsignals 11 «Langsam» oder mittels einer Schikane zu entschärfen.
- Winterwandernde
und Schneeschuhlaufende sollten mit einer Tafel angewiesen werden, einzeln zu
traversieren, damit nicht ganze Gruppen die Piste blockieren.
Bei
der Kreuzung mit weiteren Wintersportaktivitäten gelten sinngemäss dieselben
Regeln wie bei der Querung von Skipisten
Nebelsituationen
Steht die zuständige Trägerschaft
in der Verantwortung und kann haftbar gemacht werden, wenn sich auf einem
Winterwanderweg oder einer Schneeschuhroute aufgrund von (dichtem) Nebel ein
Zwischenfall bzw. Unfall ereignet?
- Aus rechtlicher Sicht sind die Abstände zwischen den Markierungen so zu wählen, dass die Benutzerinnen und Benutzer, die mit der gebotenen Sorgfalt unterwegs sind, bei Nebel nicht vom Weg bzw. der Route abkommen. Nebel kann immer auftreten. Die Häufigkeit, mit der dies geschieht, spielt hierbei keine Rolle.
- Für die Beurteilung der Abstände ist von schlechten, nicht aber extremen Sichtverhältnissen auszugehen. Winterwanderwege und Schneeschuhrouten erfordern von den Benutzerinnen und Benutzern in Bezug auf die Witterung erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht. Wer bei Starknebel, heftigem Schneefall oder stürmischen Winden losgeht, macht dies auf eigene Verantwortung.
- Winterwanderwege verlaufen in der Regel auf dem bestehenden Wegnetz, führen also über ein im Gelände angelegtes Wegtrassee und sind präpariert. Entsprechend ist der Weg auch bei Nebel gut zu finden, zumal bei unklarem Wegverlauf, insbesondere bei starken Richtungsänderungen, eine Zwischenmarkierung anzubringen ist. Der für Winterwanderwege empfohlene Abstand (5-10 Gehminuten) ist gegenüber dem Sommer winterspezifisch angepasst. Für eine weitere Verkürzung der Abstände zwischen den Markierungen besteht kein Anlass.
- Schneeschuhrouten verlaufen meist zu einem erheblichen Teil auf bestehenden Wegen sowie überwiegend in Gebieten unterhalb der Waldgrenze. Hier kann es allenfalls angezeigt sein, die Zwischenmarkierungen im weglosen Gelände in einem Abstand von 30-70 m unter Berücksichtigung des Terrains zu setzen. Ansonsten ist kein Grund für eine Verkürzung des empfohlenen Abstandes (50-100 m) ersichtlich.
Gefahren von Windkraftanlagen
Wer haftet für die Gefahren, die vor allem im Winter von Windkraftanlagen entlang und in der Nähe von Winterwanderwegen und Schneeschuhrouten ausgehen?
In der Nähe von Windkraftanlagen kann die
Gefahr von Eisschlag bestehen. Winterwanderwege und Schneeschuhrouten
sollten deshalb zu den Anlagen nach Möglichkeit eine angemessene
Sicherheitsdistanz einhalten. Bei kurzer oder räumlich geringer
Gefahrenexposition kann auch ein Warnschild zweckmässig sein. Die
Verantwortung liegt primär beim Anlagenbetreiber.
Präparierung im Wald
Was muss auf Winterwanderwegen im Wald hinsichtlich der Präparierung mit Motorfahrzeugen beachtet werden?
- Gemäss Art. 15 Abs. 1 Waldgesetz (WaG) dürfen Wald und Waldstrassen nur zu forstlichen Zwecken mit Motorfahrzeugen befahren werden, vorbehältlich der Ausnahmen in Art. 13 der Waldverordnung (WaV): Befahren erlaubt zu Rettungs- und Bergungszwecken, Polizeikontrollen, militärischen Übungen, Durchführung von Massnahmen zum Schutz vor Naturereignissen und zum Unterhalt von Fernmeldedienstleitungen.
- Zusätzlich können die Kantone zulassen, dass Waldstrassen zu weiteren Zwecken befahren werden dürfen, wenn nicht die Walderhaltung oder andere öffentliche Interessen dagegensprechen (Art. 15 Abs. 2 WaG).
- Im Kanton Bern ist beispielsweise für den Unterhalt von Winterwanderwegen mit Motorfahrzeugen eine Bewilligung der zuständigen Stelle der Volkswirtschaftsdirektion (Amt für Wald KAWA) erforderlich (vgl. Art. 23 des kantonalen Waldgesetzes KWaG).