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Wanderreportagen

Schnee aus heiterem Himmel

Radons GR auf einen Blick: die erste Grossschneeanlage Europas, Besucher aus Australien, gescheiterte Pläne und eine einfache Winterwanderung, die auch mit dem Schlitten machbar ist.
29.11.2024 • Text: Rémy Kappeler, Bilder: Rémy Kappler, Bergbahnen Savognin, Severin Nowacki
Eine Schneeanlage der ersten Stunde, Typ Visper. © Bergbahnen Savognin

Es waren ungewöhnliche Bilder, die 1978 weit über die Schweiz hinaus bekannt wurden: Das Val Surses lag schneelos da, nur oberhalb Savognin zog sich eine weisse, drei Kilometer lange Skipiste hinunter. «In Savognin schneit es aus heiterem Himmel», schrieb das «Bündner Tagblatt». Es war der 8. Dezember 1978, als die erste Grossschneeanlage Europas eingeweiht wurde, unter anderem von Ski-Olympiasieger Heini Hemmi.

22 mobile Kanonen produzierten Schnee, drei Leitungen versorgten sie mit Wasser, Druckluft und Strom. Weiter waren zwei Pumpstationen, fünf Kompressoren und 60 Zapfstellen für Wasser und Druckluft gebaut worden – dazu hatte man den Erfinder der Schneekanone hinzugezogen, den Amerikaner Joe Tropeano. 3,4 Millionen Franken hatten die Verantwortlichen rund um den damaligen Direktor der Bergbahnen Leo Jeker investiert.

Gäste kamen von weit her, um Kunstschnee zu fühlen. Vertreter aus anderen Skigebieten reisten an. Skiprofis entdeckten Savognin als Trainingsort. Leo Jeker wurde gar ins deutsche Fernsehen eingeladen: Sein Job war wie gemacht fürs heitere Beruferaten in Robert Lembkes «Was bin ich?».

Aber es gab auch Kritik: Der Lärm, der hohe Wasser- und Energieverbrauch sowie die Eingriffe in die Natur wurden kritisiert. Doch 1990 lehnten das Bündner Stimmvolk eine Initiative für eine gesetzliche Einschränkung der Beschneiung ab.

Leo Jeker und seine Leute wurden damals auch belächelt. Heute ist klar, dass sie Pioniere waren: Schneekanonen sind in grösseren Skigebieten mittlerweile selbstverständlich. Und schneearme Winter nehmen immer mehr zu.

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Ein Bild vom ersten Betriebstag einer Schneekanone 1978. © Bergbahnen Savognin


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Nach Radons gondeln: Das ist passé. © Bergbahnen Savognin

Grosse, gescheiterte Pläne

Für Radons gab es mehrmals grosse Pläne: 1969/70 bauten die Bergbahnen die längste Gondelbahn der Welt, von Savognin bis nach Radons. Damit sollte eine Erweiterung des Skigebietes möglich werden. Die fast 5,3 Kilometer lange Bahn wurde jedoch im Jahr 2000 zurückgebaut. Und erst dieses Jahr lehnten die Stimmberechtigten den Bau eines Solarkraftwerks im Tal ab.


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Gästebucheintrag von Reisenden aus Australien. © Rémy Kappeler

Besucher aus Down Under

In Radons gibt es mehrere Gasthäuser, darunter das Berghus Radons. Der traditionelle Betrieb wurde 2020 renoviert und setzt heute auf eine gepflegte Atmosphäre und regionales Essen. Von den vergangenen Zeiten zeugen alte Gästebücher: Viele mit Tinte geschriebene Einträge in Versform aus den späten 1940er-Jahren sind zu lesen. Darunter auch ein wunderschönes Kunstwerk von Gästen aus Down Under.


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Der Weg ist auch mit Schlitten machbar. © Severin Nowacki

Mit oder ohne Schlitten?

Der Weg von der Gondelbergstation Somtgant nach Radons und weiter bis Tigignas ist aussichtsreich und nicht allzu steil. Ideal zum Winterwandern also – oder auch zum Schlitteln. Schlitten können an der Talstation Savognin gemietet werden.

Einfache Tour für Sonnenhungrige im Val Surses
Somtgant — Tigignas • GR

Einfache Tour für Sonnenhungrige im Val Surses

Diese aussichtsreiche Winterwanderung dauert nur etwas mehr als zwei Stunden und ist wenig anspruchsvoll. Wer sich aber Zeit nehmen will, kann den sonnigen Panoramaweg Somtgant mit einem Aufenthalt in einem der drei Betriebe in Radons genussvoll auf zwei Tage verlängern. Denn der kleine Weiler im Val Nandro bietet für jedes Portemonnaie etwas Passendes: von den weitherum bekannten Pommes frites des Restaurants Muntanela bis hin zum doppelten Kalbskotelett aus der lokalen Zucht von japanischen Wagyū- und von Swiss-Brown-Rindern im Berghuus Radons. Doch der kulinarische Genuss soll zuerst verdient sein: Von der Bergbahnstation Somtgant aus geht es über die gleichnamige Alp erst fast ebenen Wegs ins Tal hinein, bevor der Weg kurvenreich nach Radons absteigt. Man wandert durch eines der grössten zusammenhängenden Alpgebiete Graubündens in der Grösse von 7500 Fussballfeldern. 1300 Tiere übersommern jeweils hier, wo nun Skifahrende mehr oder weniger elegant den Hang hinunterkurven. Wer in Radons noch eine Stunde länger wandern will, baut den Winterwanderweg über die Maiensässhütten Bargias zur Alp Nova und wieder zurück ein. Er liegt unterhalb der Hänge, auf denen eine Solaranlage hätte gebaut werden sollen, bevor die Stimmbevölkerung von Savognin das Projekt 2024 versenkte. Der zweite Teil der Wanderung führt gemütlich und leicht absteigend zurück zur Gondelbahnstation Tigignas. Auf der ganzen Wanderung teilt man sich den Weg mit Schlittenfahrenden. Da es für diese aber eine zweite, weitaus rasantere Abfahrt im Skigebiet gibt, sollten sich hier eher die gemütlichen Kufenfans tummeln. Mit Aussicht auf das ganze Val Surses mit seinem mächtigen Piz Mitgel endet die Wanderung, bevor in Tigignas wiederum die Bergbahn nach Savognin hinunter genommen wird.

zum Wandervorschlag

Rémy Kappeler

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Südostschweiz Magazin DAS WANDERN

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