
Vom Reussufer zum Erdmannlistei
Der Erdmannlistei ist der Höhepunkt dieser gemütlichen Herbstwanderung. Er befindet sich auf einem Moränenwall mitten im Wald zwischen Wohlen AG und Bremgarten und besteht aus drei mächtigen Findlingen, die aufeinander gelagert ein Kunstwerk der Natur bilden. Die Felsblöcke stammen aus dem Aaremassiv und wurden vor Jahrtausenden von Aare- und Reussgletscher bis ins Mittelland transportiert. Die Wanderung beginnt am Rande von Rottenschwil, direkt bei der Stilli Rüss, dem am besten erhaltenen Flussaltwasser der Schweiz. Wer will, dreht hier eine kleine Erkundungsrunde, bevor die eigentliche Wanderung beginnt. Diese führt mitten in den Auenschutzpark Aargau hinein. Auf einem Schotterweg führt die Wanderung zunächst auf einem Damm entlang dem Flachsee. Vogelbeobachtende kommen in diesem Zugvogelreservat voll auf ihre Kosten und sollten den Feldstecher nicht vergessen. Zur Rechten wiegt das Schilf, zur Linken breiten sich Riedwiesen, Altläufe und Weiher aus. Bei Hermetschwil lohnt sich ein kurzer Abstecher hinauf zum Benediktinerinnenkloster St. Martin, das noch heute von neun Schwestern bewohnt wird. Auf einem Naturpfad geht es entlang der Reuss weiter – das Laub raschelt, die Sonne blinzelt durch das herbstliche Blätterdach. Die Luft surrt vom Vogelgezwitscher, ein Silberreiher hockt am gegenüberliegenden Flussufer. In Bremgarten West passiert man den Bahnhof und folgt der Signalisation durch das Quartier, bevor man in den Wald eintaucht. Über Wurzelwege gewinnt man sanft an Höhe. Schliesslich trifft man auf den imposanten Erdmannlistei und zahlreiche Feuerstellen. Kurz darauf verlässt man den offiziellen Wanderweg und folgt den Wegweisern Richtung Freiämter Sagenweg, der hinter dem idyllischen Waldweiher Cholmoos beginnt. Vorbei an einem Damhirschgehege, wandert man schliesslich ins beschauliche Dorf Waltenschwil, wo die Wanderung endet.
Ein Werk von Mensch oder Gletscher?
Es ist ein imposanter Anblick, der sich einem mitten auf einer Waldlichtung in der Nähe von Bremgarten bietet: Drei mächtige Felsblöcke bilden zusammen eine beeindruckende Gesteinsformation, die wie eine perfekt arrangierte Kunstskulptur aussieht. Sie sind von weichem grünem Moos bewachsen, das einen farblichen Kontrast zu den rostroten Buchenblättern am Boden bildet. Die tiefstehende Sonne wirft warmes Herbstlicht auf die wuchtigen Findlinge und lässt die Bäume ringsherum goldig leuchten.
Bis zu 60 Tonnen schwer sollen die drei Blöcke aus weissem, gneishaltigen Granit sein, die ursprünglich aus dem Aaremassiv stammen, und zunächst vom Aaregletscher und dann vom Reussgletscher bis in den Kanton Aargau transportiert wurden. War es der Gletscher, der die Felsen aufeinandergeschichtet hat, oder waren es Menschen, die hier eine prähistorische Kulturstätte errichtet haben? Das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.
Dafür weiss man, woher der urchige Name «Erdmannlistei» stammt – aus einer Sage. Unter der Findlingsgruppe sollen in einer Höhle die «Erdmannli» gehaust haben, kleine Heinzelmännchen-ähnliche Wesen. Wenn man sie rief, kamen sie hervor und tanzten, wofür sie von den Menschen mit Kraut, Kohl und Rüben belohnt wurden. Doch eines Tages warfen zwei Buben Steine in die Höhle, und die Erdmannli verschwanden für immer.
Selbst ohne sie geht noch heute eine besondere Ausstrahlung von diesem im Wald verborgenen Ort aus, und vor allem jetzt im Herbst ist es hier ruhig und magisch.
Feldstecher nicht vergessen
Am Himmel ziehen an die 100 Störche durch die Luft, es ist ein eindrückliches Naturschauspiel. Die aargauische Reussebene gehört zu einer der besterhaltenen und vielfältigsten Flusslandschaften im Schweizer Mittelland – 236 Vogelarten wurden in diesem Naturschutzgebiet bereits gesichtet. Während die Störche auf dem Weg in den Süden sind, machen es sich einige Wintergäste hier gemütlich, zum Beispiel der Kormoran, die Tafel-, Reiher-, Schnatter-, Krick-, Pfeif- und Schnellente.
Frauenkonvent im Freiamt
Weiss und majestätisch thront das Kloster Hermetschwil über der Reussebene. Seine Ursprünge liegen im 11. Jahrhundert. Noch heute leben hier neun Schwestern nach den Regeln des heiligen Benedikt von Nursia. In kleiner Gemeinschaft gehen sie geistlichen Übungen nach, backen Hostien, weben, betreiben eine Imkerei, stellen Kerzen her und pflegen die Gartenarbeit. Die Kirche St. Martin sowie das Klosterlädeli sind für Besuchende geöffnet.
Sagenweg und Hirschherde
Nachdem man den Erdmannlistei hinter sich gelassen hat, trifft man bald auf den Freiämter Sagenweg – ein mystisches Spaziergangserlebnis mit Kunstskulpturen und Sagentafeln. Und am Ende der Wanderung begegnet man einer grossen Herde Damhirsche, die am Rand von Waltenschwil in einem weitläufigen Gehege weidet.