Es braucht Überwindung zuzubeissen. Heute stehen Mehlwürmer, Heuschrecken und Grillen auf dem Picknickplan. Gesund sind sie: Insekten haben hohe Nährwerte und sind reich an Proteinen, Omega-3-Fettsäuren, Ballaststoffen, Vitaminen sowie Mineralstoffen. Aber ob sie auch schmecken?
Ich kneife die Augen zusammen und stecke mir einige Tenebrio Molitor in den Mund – getrocknete, gepfefferte Mehlwürmer. Sie knacken und schmecken nussig. Als Nächstes sind die Paprika-Grillen an der Reihe. Auch hier schaue ich nicht genau hin. Für einmal isst das Auge nicht mit.
Nicht vom Weg in den Mund
Die Entomophagie, wie der menschliche Verzehr von Insekten auch genannt wird, ist in asiatischen und afrikanischen Ländern seit Jahrtausenden fester Bestandteil der Ernährung. Weltweit essen circa zwei Milliarden Menschen regelmässig Insekten. Die Auswahl lässt sich sehen: Rund 2000 Insektenarten sind essbar. Nur drei davon sind in der Schweiz als Lebensmittel bewilligt: Heuschrecken, Mehlwürmer und Grillen. Aus Hygienegründen werden in der Schweiz nur Speiseinsekten aus kontrollierter Aufzucht auf den Markt gebracht und nicht etwa wild gefangene Tiere. Auch Wandernde sollten sich während ihren Insektenwanderungen nicht spontan eine Heuschrecke in den Mund stecken. Einerseits um das Insektensterben nicht weiter zu begünstigen, andererseits aus gesundheitlichen Gründen: Frei lebende Insekten sind Wildtiere, die sich teilweise von Abfällen ernähren und von gefährlichen Parasiten oder Bakterien befallen sein können.
Gut für Gesundheit und Umwelt
Deshalb greife ich lieber noch einmal in die Tüte als ins Gras: Zum Dessert gönne ich mir eine ungewürzte Wanderheuschrecke. Der Name passt ausgezeichnet. Das Tier ist vier bis fünf Zentimeter lang, seine getrockneten Augen kleben wie kleine Schokoladetröpfchen am Körper. Ich entferne Flügel und Sprungbeine, da sie ungeniessbar sind, und kaue. Ziemlich trocken und fad. Dann doch lieber noch ein Grillen mit Paprikagewürz.
Während der Snackpause wird schnell deutlich, wie nahrhaft Insektenfood ist. Bereits 50 Gramm Insekten genügen, um satt zu machen. Das liegt daran, dass Insekten im Schnitt 60 Gramm Eiweiss (Protein) pro 100 Gramm Trockenmasse liefern. Das ist zwei- bis dreimal so viel wie bei Rindfleisch, Lachs oder Kichererbsen.
Der Nährstoffgehalt ist aber nur eines von zwei Argumenten, die für Insektennahrung sprechen. Das andere Argument ist die gute Ökobilanz: Im Vergleich zu Fleisch benötigt die Zucht von Insekten viel weniger Wasser, Platz und Futter, wodurch weniger Treibhausgase entstehen. Da Insekten auch mit Lebensmittel-Überresten gefüttert werden können, kann man gar sagen: Insekten transformieren Abfall in Superfood.
Ausserdem ist der essbare Anteil eines Insekts höher als beim Fleisch: Von den meisten Insekten können 80 Prozent des Tieres verspeist werden – vom Rind sind es beispielsweise nur 40 Prozent.
Die Schweiz als Pionierin
In der EU ist der Verkauf von Insektennahrung seit 2021 zugelassen, in der Schweiz sogar seit 2017. Die beiden grössten Player hierzulande sind Entomos und Essento. Während Entomos sich auf die Verarbeitung von Insekten konzertiert, betreibt Essento auch eine eigene Insektenzucht in Deutschland. Auf dem Onlineshop gourmetbugs.ch werden alle Insektenprodukte, die in der Schweiz hergestellt und verarbeitet werden, zentral vertrieben – von Mehl über Pasta bis zu Burgern und Snacks.
In der Nische
Den Mainstream haben die Speiseinsekten indes noch nicht erreicht. «Leider hat sich der Markt seit 2017 nicht stark verbessert», sagt Jean-Yves Cuendet, Inhaber von Entomos. «Es dauert wohl noch lange, bis sich essbare Insekten etablieren werden – ich rechne mit bis zu zehn Jahren. Erst wenn der Druck grösser wird, auf alternative Eiweisse umzustellen, wird der Markt wachsen», vermutet er.
«Am erfolgversprechendsten sind längerfristig jene Produkte, bei denen die Insekten nicht sichtbar sind, aber die dennoch mit wertvollem Eiweiss angereichert sind», sagt Cuendet, «also Produkte wie Pasta, Riegel oder Brote.» Momentan handelt es sich bei Insektenfood aber noch um Premiumprodukte mit Preisen im oberen Segment: 200 Gramm Protein-Granola mit Grillenpulver kosten zum Beispiel rund zehn Franken.
Ein grösseres Potenzial haben die Insekten aktuell als Tierfutter, um beispielsweise Soja zu ersetzen. Man spricht dann von «Feed» statt von «Food».
Favorit Proteinriegel
Bleibt die Frage, wie tauglich die Insektennahrung als Wandersnack ist. Überzeugen konnten mich vor allem die Proteinriegel von Essento. Diese mit Grille angereicherten Stängel gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen wie Beere-Mandel oder Kakao. Sie schmecken gut und verlangen von Anfängern nicht viel Überwindung. Zudem erhalten sie nicht nur Proteine, sondern auch etwas Zucker, was während des Wanderns für eine schnelle Energieaufnahme sorgt. Was auch eine Möglichkeit ist: Aus Insektenmehl und Ruchmehl sowie weiteren Zutaten eigene Proteinriegel herzustellen.
Geröstete Grillen mit Paprikagewürz
Preis: 3.70 Franken
Fazit: Knackig und würzig, geschmacklich ähnlich wie Chips. Etwas kleinteilig und daher etwas schwieriger zu essen als andere Produkte.
Geröstete Mehlwürmer mit rosa und schwarzem Pfeffer
Preis: 3.70 Franken
Fazit: Gute Konsistenz und lecker gewürzt. Etwas kleinteilig und daher etwas schwieriger zu essen als andere Produkte.
Grillen, Mehlwürmer, Wanderheuschrecken
Getrocknet, aus der EU
Preis: 5.90, 4.90, 9.90 Franken
Fazit: Etwas geschmacklos und trocken – die gewürzten Insekten überzeugen mehr.
Raw Cacao und Berry Almond Protein Bar
Mit Grillenpulver aus der EU
Preis: je 2.95 Franken
Fazit: Äusserst nahrhaft, schön sämig und nicht zu trocken. Die Insekten sind weder sicht- noch schmeckbar. Praktisches Produkt für eine Wanderung.