Zeigt her eure Schuhe!

Wanderschuhe, die nicht passen, können der Familie bald die Wanderung vermiesen. Es lohnt sich also für Eltern, sich Zeit zu nehmen für den Schuhkauf. Immer wieder, denn die Füsse der Kleinkinder wachsen rasch. Ein Ratgeber mit Praxistest.

Rémy Kappeler

Für einmal im Fokus, im Idealfall aber nur Nebensache auf einer Wanderung: Kinderschuhe müssen passen.

Aus dem Magazin WANDERN.CH 5/2019

Für Kinder ist die Wahl von neuen Wanderschuhen ziemlich einfach: Gefällt die Farbe, gefällt der Schuh. Und dann wird es in den meisten Fällen schwierig für Mama und Papa, da Kinder meist sehr genau wissen, was sie wollen und was nicht. Ein Beispiel gefällig? Der Sohn eines Testers steht auf Grün, wortwörtlich. Ein Glück, haben wir einen grünen Schuh im Test. Der Dreijährige wandert also die zwei Tage vom Rinderberg zum Hornberg und bis nach Zweisimmen im Berner Oberland ohne grössere Probleme. Wie sollte es anders sein, mit grünen Schuhen? Für den Papa gestaltet sich die Rückmeldung aber anspruchsvoll: Der Junge wandert unauffällig und hat keine Blasen an den Füssen. Das ist mal schon gut. Doch wie kommt er zu genaueren Rückmeldungen?

Zum Beispiel zum wichtigsten Kriterium: Die Schuhe dürfen nicht zu klein sein. Eltern sollten regelmässig kontrollieren, ob die Schuhe noch passen. Denn Kinderfüsse wachsen ziemlich schnell: Sie werden pro Halbjahr etwa fünf Millimeter länger und zwei bis vier Millimeter breiter. Schuhwechsel sind deshalb in den ersten Lebensjahren keine Seltenheit. Und das geht ins Geld. Aber wer sagt, dass Wanderschuhe immer fabrikneu sein müssen? Gerade weil sie in diesem Alter nur so kurz getragen werden, sind Schuhe in kleinen Grössen aus der Börse oder vom Nachbarskind meist nicht stark abgenutzt. Eine Option ist auch, die Schuhe für das jüngere Geschwister aufzubewahren: Eine neutrale Farbwahl ist dabei ein Muss. Nicht zuletzt ist es auch eine Frage der Nachhaltigkeit, dass Kinderschuhe mehrere Besitzer nacheinander haben.

Verbreitet: zu kleine Schuhe

Tragen Kinder zu kleine Schuhe – was laut Untersuchungen viel zu häufig der Fall ist –, leidet der Fuss. Auf Dauer kann er sich verformen, oder es entwickeln sich Fehlstellungen, ohne dass dies dem Kleinkind Schmerzen bereitet. Der Fuss ist weich und biegsam, sein Nervensystem noch nicht vollständig ausgebildet. Kinder ziehen zudem ihre Zehen einfach ein, wenn der Schuh drückt. Das kann zu Beschwerden am Fuss führen. Oder am ganzen Körper. Knie-, Hüft- und Rückenschmerzen sind die Folge. «Zehn Prozent der Kleinkinder haben heute bereits chronische Rückenschmerzen. Bei den 15-Jährigen sind es schon 50 Prozent», sagt Micha Bahr, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Ingolstadt. Der Mediziner hat sich intensiv mit Wanderschuhen beschäftigt, weil er als Vater dreier Töchter nicht zufrieden war mit dem Schuhangebot in den Läden. Zu starr, zu schwer, zu steife Sohlen, lautete sein Fazit.

Für Bahr, der Lowa bei der Entwicklung von Kinderschuhen unterstützt, ist das Abrollverhalten des Kinderfusses zentral. Die Sohle muss also in der Querachse flexibel sein, darf längs aber nicht allzu fest verdreht werden können, um das Umknicken des Fusses zu verhindern. Der Knöchel soll guten Halt haben, Bahr ist kein Freund von «diesem Halbschuhtick». «Wenn die Bänder nicht wirklich trainiert sind, ist ein hoher Schuh sinnvoll», sagt er. Die Gelenke der Kinder sind viel weicher als jene der Erwachsenen, bei tiefen Schuhen ist die Gefahr einer Bänderüberdehnung oder eines -risses zu hoch. «Die meisten Unfälle in den Bergen sind Umknicktraumen.» Nicht zuletzt klagen Kinder auch weniger über Steinchen im Schuh mit hohem Schaft.

Geübte Muskulatur wichtig

Christoph Schmitter von Meindl pflichtet Bahr bei. «Man muss die Festigkeit des Schuhs dem Kind anpassen», sagt er. Je älter und kräftiger das Kind ist, desto mehr Masse bringt es auf die Waage und desto grösser ist die Gefahr eines Misstritts. Der Schuh muss also für ältere Kinder fester sein. Auch auf den Einsatz kommt es an: «Kinder wandern am liebsten fünf Meter oberhalb des Weges», weiss der Vater zweier Kinder aus eigener Erfahrung. Das geht am besten in Schuhen mit gutem Halt.

Um gesunde Knöchel zu behalten, sollten Kinder im Alltag möglichst viel barfuss gehen, hüpfen, springen, rennen. Denn eine starke Muskulatur schützt auch vor Verletzungen. Einlegesohlen sind nicht nötig – was bei Orthopäden allerdings umstritten ist. In manchen Schuhen sind jedoch bereits ausgefeilte Sohlen eingelegt, die vor einem Einknicken nach innen schützen sollen.

Schuhe im Laden kaufen

So weit die Theorie. Nun zum Schuhkauf, der am besten im Fachgeschäft passiert. Denn leider gibt es keine international normierten Schuhgrössen: Dieselbe Nummer kann je nach Fabrikant unterschiedlich gross sein. Es gilt also die Daumenregel: Man nimmt die Innensohle aus dem Schuh, das Kind steht mit der Ferse hinten bündig darauf. Die Sohle soll vorne etwa daumenbreit grösser sein als der Fuss, dann haben die Zehen genug Platz. Viele Schuhe haben heute auf der Innensohle Markierungen, mit denen die passende Grösse auf einen Blick sichtbar wird. Alternativ kann das Kind auf ein Papier stehen, dann zeichnet man den Fussabdruck mit Bleistift aufs Papier. Mit dieser Schablone vergleicht man die Sohlen. Ein Schuhkauf sollte am Nachmittag geschehen: Die Füsse sind dann bis zu vier Prozent grösser als am Morgen. Zu weite Schuhe erkennt man daran, dass das Kind nach vorne rutscht.

Dann zur Sohle: Der Schuh soll wie erwähnt in der Querachse flexibel sein. Die Längsachse testet man, indem man den Schuh auszuwringen versucht. Dies sollte nur leicht möglich sein. Die Sohle muss zudem über genug Profil verfügen, damit das Kind Halt hat auf und neben dem Weg. Ist die Sohle zu weich, spüren die Kinder jeden Stein, ist sie zu hart, rutschen sie im Gelände aus.

Wie die Schuhe binden?

Ein Thema ist auch das Schnürsystem. Am meisten Halt bietet der Schnürsenkel, im Idealfall kann man damit den Vorderschuh und den Schaft unterschiedlich eng binden. Es lohnt sich, auf der Wanderung immer wieder zu schauen, wie der Schuh gebunden ist, und ihn gegebenenfalls nachzuziehen.

Schnürsysteme sind vor allem im Umgang praktisch, für die Kinder wie auch für die Eltern. Bahr haben sie bisher nicht überzeugt: «Eine Restflexibilität bleibt. Und der Kunststoff wird irgendwann brüchig.» Unser Testkind und seine Mutter haben allerdings gute Erfahrungen gemacht mit einem Drehverschluss, der eine «millimetergenaue Anpassung der Schnürung» erlaubt.

Ein Wort noch zu den Socken: Wie auch bei Erwachsenen empfehlen sich keine Baumwoll- oder gar selbst gestrickte Socken, sondern solche aus Kunstfasern oder Merinowolle. Die Socke soll über den Schaft hinausschauen, damit die Feuchtigkeit aus dem Schuh entweichen kann. Und sie soll nicht zu gross sein, da es sonst Rümpfe und damit Blasen gibt.

Und ganz zum Schluss: Wasserdicht sollen Wanderschuhe sein. Mit nassen Füssen gibt es Blasen. Und welches Kind will schon einen Bogen um die Pfütze machen müssen?

Einige Beispiele für Kinderwanderschuhe

Für leichtere Wanderungen

Der Montana Evo Mid ist ein Kinderwanderschuh für das Voralpenland. Giuliano hat ihn auch neben dem Wanderweg getestet und hatte Freude: «Ich hab den Schuh auf der Wanderung kaum gespürt», meldet er zurück. Der eigens für die Migros produzierte Schuh hat ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ist so auch als Einsteigermodell geeignet. Er kann mit dem Schnürsenkel nach Bedarf unterschiedlich fest angezogen werden. Die Sohle ist griffig, der Schaft ist etwas härter als der bisherige Schuh des Testkinds, mit dem Halt des Fusses ist Giuliano zufrieden. Und natürlich ist der Schuh wasserfest.

Vater von Giuliano, 10-jährig

«Ein guter Wanderschuh zu einem sehr anständigen Preis.»

  • Modell: Trevolution Montana Evo Mid
  • Material: synthetisch
  • Schnürsystem: Schnürsenkel
  • Preis: 60 Franken

www.sportxx.ch

Passend für die Kleinsten

Wenn die Kleinen schon früh mitkommen auf die Wanderung, ist der Adidas Terrex ein guter Schuh. Es gibt ihn nämlich schon ab Grösse 19. Ob im Lauflernalter schon ein solch technischer Schuh nötig sei, fragt sich der Vater des eineinhalbjährigen Testkinds Anna. Der wasserdichte Schuh hat ihn aber überzeugt: «Er passt gut, und Druckstellen waren keine auszumachen», meldet er zurück. Die griffige Sohle ist sehr flexibel, was bei dem geringen Gewicht von Kleinkindern gut ist. Je schwerer das Kind und je grösser der Schuh ist, desto steifer wird die verwendete Sohle beim Terrex.

Vater von Anna, 1,5-jährig

«Der Schuh kann deutlich mehr, als wir mit Anna wandern können.»

  • Modell: Adidas Terrex Mid I
  • Material: Ripstop (synthetisch)
  • Schnürsystem: Schnürsenkel
  • Preis: 120 Franken

www.adidas.ch

Leichtgewicht für überall

Der synthetische Mountain Attack 3 von Jack Wolfskin ist sehr leicht und angenehm zu tragen und hat eine schmale Passform. Testerin Mia fühlte sich von Beginn weg wohl und liess nichts verlauten über den Schuh, weder über die Griffigkeit der Sohle noch über allfällige Druckstellen oder Blasen – ein gutes Zeichen. Der Schaft ist eher weich, was komfortabel ist, aber etwas weniger Halt bietet. Zu binden ist der Schuh gut, einzige Kritik von Mia: Die Schnürsenkel sind in den obersten Ösen für sie schwierig einzufädeln.

Mia, 9-jährig

«Der Schuh gefällt mir, weil ich damit durchwandern kann, wo ich will.»

  • Modell: Jack Wolfskin MTN Attack 3 Mid
  • Material: synthetisch
  • Schnürsystem: Schnürsenkel
  • Preis: 109 Franken

www.jack-wolfskin.ch

Geschützte Zehen

Keen ist ja vor allem bekannt für ihre Sandalen mit der markanten Zehenkappe. Der US-Hersteller versucht sich auch in Wanderschuhen, was ihm mit dem Y Torino II Mid gut gelungen ist. Der PFC-frei produzierte Lederschuh mit seinem Abenteurerlook gefiel dem Testkind Jonel jedenfalls von Anfang an. Sein Fuss hat guten Halt, er kann damit ohne Rücksicht über Grasweiden wie Felsblöcke wandern, ohne abzurutschen. Und natürlich muss der Schuh wasserdicht sein für die Erkundungstouren im Bachbett. Das Schnellschnürsystem könnte für jüngere Kinder eher schwierig sein, weil es Kraft in den Fingern braucht, um es zu bedienen.

Jonel, 12-jährig

«Mit der Zehenkappe kann ich auf Erkundungstouren überall hinaufklettern.»

  • Modell: Keen Y Torino II Mid
  • Material: Leder
  • Schnürsystem: Schnellschnürung
  • Preis: 120 Franken

www.chrissports.ch/keen

Der mit der Pneusohle

Der Salewa Alp Trainer ist mit einer Michelin-Sohle ausgerüstet: Testkind Emilia freute sich an der «Autoreifensohle» und testete sie natürlich ausgiebig auf allen Unterlagen, balancierte auch auf Baumstämmen: Der Griff der groben Sohle ist tipptopp. Der Schaft ist mit leichtem, flexiblem und zugleich robustem Mesh und beschichtetem Textilgewebe gefertigt. Er ist zusätzlich mit der Sohle und der Ferse verbunden, was guten Halt und eine präzise Passform verspricht. Der Schuh ist atmungsaktiv und wasserdicht.

Emilia, 3-jährig

«Mit den Pneusohlen komme ich überall hin, wo ich will.»

  • Modell: Salewa Alp Trainer Mid
  • Material: synthetisch
  • Schnürsystem: Schnürsenkel
  • Preis: 129 Franken

www.salewa.com

Für längere Wanderungen

Dass Testkind Lenn den Lowa Ledro gar nicht mehr ausziehen wollte, ist sicher nicht nur seiner Lieblingsfarbe Grün zu verdanken. Der qualitativ hochstehende und wasserdichte Schuh ist gemacht für lange Wanderungen. Ein hoher Schaft schützt das Sprunggelenk, die stabile und griffige Sohle sorgt dafür, dass der Fuss nicht einknickt. Der in Europa hergestellte Schuh hat Lowa zusammen mit dem deutschen Kinderchirurgen Micha Bahr entwickelt. Er hat vorne viel Platz für die Zehen, eine Leiste im Fussbett animiert die Kinder, mit den Zehen zu spielen, was die Durchblutung fördert. Ein qualitativ guter Schuh, der auch seinen Preis haben darf.

Lenn, 3-jährig

«Ich habe eine zweitägige Bergwanderung problemlos geschafft.»

  • Modell: Lowa Ledro GTX Mid
  • Material: Veloursleder
  • Schnürsystem: Schnürsenkel
  • Preis: 130 bis 155 Franken

Gemacht fürs Abenteuer

Der Tuam von Meindl hat dem Testkind Louisa so gut gefallen, dass es ihn gar im Kindergarten trug. Die Farbe, der hohe, weich gepolsterte Schaft, die griffige Sohle, das leichte Gewicht – alles passt. Mit den Schnürsenkeln können die Eltern den Schuh oben und unten mit unterschiedlichem Zug binden, angezogen wird er mit einem Verschluss, der dem Kind anfangs etwas Übung abverlangt. Der Schuh hat eine breite Passform, was dem Fuss von Louisa entgegenkommt. Ein langlebiger Schuh für viele Einsätze, der auch etwas kosten darf.

Louisa, 5-jährig

«Er gefällt mir so gut, dass ich ihn noch bei 36 Grad im Kindergarten getragen habe.»

  • Modell: Meindl Tuam
  • Material: Veloursleder
  • Schnürsystem: Schnürsenkel
  • Preis: 135 bis 155 Franken

www.meindl.de

Tolles Rädchen

Der Höhepunkt des Anacondalight ist für die Kinder die Boa-Schnellschnürung. «Am Anfang etwas kompliziert, aber dann hatte Nora im wahrsten Sinne des Wortes ‹den Dreh raus›», erklärt die Mutter. Lustigerweise zog das Testkind am Schluss aber trotzdem den Schnürsenkel dem Drehverschluss vor. Letzterer ermöglicht eine sehr genaue Anpassung der Schnürung, hat die Mutter festgestellt. Beim Anziehen kann man den Schuh weit öffnen. Der Schuh der norwegischen Marke Viking gibt dem Fuss guten Halt, und die Sohle greift ebenso gut. Er ist robust und wasserdicht. Ein Schuh, den mehrere Kinder tragen können, was seinen Preis rechtfertigt.

Nora, 7-jährig

«Ich finde den Drehverschluss gut, doch Schnürsenkel sind mir lieber.»

  • Modell: Viking Anacondalight Boa Jr GTX
  • Material: synthetisch
  • Schnürsystem: Boa Schnellschnürung
  • Preis: 150 Franken

www.bodag-shoes.ch

Aus dem Magazin WANDERN.CH 5/2019

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