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Wanderreportagen ABO

Das Mysterium am Pilatus

Auf einen Blick: Lütholdsmatt OW
30.05.2025 • Text und Bilder: Andreas Staeger
Der Polenweg ist ein herausragendes Beispiel früherer Wegebaukunst.
Auf historischem Weg am Pilatus
Alp Lütholdsmatt • OW

Auf historischem Weg am Pilatus

Polnische Internierte erstellten im Zweiten Weltkrieg auf der Obwaldner Seite der Pilatuskette ein Kleinod der Wegebaukunst: Der gepflasterte Weg, der sich kurvenreich durch die Alpweiden zieht, wirkt wie eine Miniaturausgabe der Tremolastrasse am Gotthardpass. Der sogenannte Polenweg ist das attraktive Herzstück einer Rundwanderung, die auf der Alp Lütholdsmatt beginnt; diese erreicht man mit dem Rufbus ab Alpnach Dorf. Der Einstieg ist etwas öde: Satte zwei Kilometer wandert man auf einem asphaltierten Alpsträsschen. Bei Märenschlag geht dieses in einen Kiesweg über, ab Balismatt wird die Strecke dann richtig schön: Das Trassee des Polenwegs ist mit unbehauenen Natursteinen gepflastert und mit Kunstbauten ausgestattet. Dazu gehören eine gemauerte Steinbogenbrücke und ein fachmännisch errichteter Tombino, ein Entwässerungsschacht. Im Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz wird der Strecke nationale Bedeutung zugeschrieben. Es lohnt sich, den Polenweg nicht einfach zügig abzuschreiten, sondern das Auge einerseits auf die Weganlage, andererseits in die Ferne zu richten. Ein weites Panorama gibt es hier zwar meist nicht, aber eine schöne Sicht hat man etwa auf den westlichen Ausläufer der Pilatuskette mit den Gipfeln Stäfeliflue und Blaue Tosse sowie in Gegenrichtung auf das Widderfeld. Gegen Süden fällt der Blick zum Alpnachersee und auf das Stanserhorn. Im Gebiet Steinstössi lässt man den Polenweg hinter sich, wandert auf einem einfachen Fussweg weiter Richtung Gschwänt und steigt an den Hütten der Alp Älggäu vorbei nach Rischigenmatt ab. Von dort führt ein mit Schotter, später mit Asphalt, gedecktes Strässchen nach Fachsboden und zur Wegkreuzung Rossstand, wo ein gut ausgebauter Rastplatz wartet. Über das Gehöft Stock gelangt man zurück zur Alp Lütholdsmatt.

zum Wandervorschlag

Im Juni 1940 überquerten 12 000 polnische Soldaten die französisch-schweizerische Grenze. Nach der Niederlage Polens gegen die deutschen und russischen Invasoren waren sie Teil der französischen Armee geworden. Doch nachdem auch Frankreich von deutschen Truppen erobert wurde, entschlossen sie sich zur Flucht in die Schweiz, um nicht in deutsche Kriegsgefangenschaft zu geraten.

Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs nahm die Schweiz insgesamt über 100 000 Armeeangehörige verschiedener Nationen auf – neben Polen auch Franzosen und Italiener sowie deutsche Deserteure. Die Internierten wurden in Lagern untergebracht und zur Arbeit in der Landwirtschaft oder auf Baustellen verpflichtet. Die polnischen Soldaten setzte man mehrheitlich für den Bau von Strassen und Wegen ein. Die Verbindungen, die sie mit grossem handwerklichem Geschick anlegten, werden seither als Polenwege bezeichnet.

Ein besonders schönes Beispiel dafür liegt am Südhang der Pilatuskette oberhalb der Alp Balismatt. Der kunstvoll konstruierte Weg zieht sich von den der Alphütte Wängen nach Rickmettlen hinauf und von dort hinüber ins Gebiet Steinstössi. Die Höhendifferenz im ersten Teil ist kaum wahrnehmbar, weil das Trassee in weiten Kehren in den Hang gelegt ist. Das hat dem Polenweg die Bezeichnung «Obwaldner Tremola» eingetragen – in Anlehnung an die Tremola am Gotthardpass. Wozu der Weg angelegt wurde, ist unklar. Die Strecke ergibt aus militärischer Sicht keinen Sinn, und auch für die Alpwirtschaft wäre sie nicht nötig gewesen. Es wird vermutet, dass der Wegbau primär als Beschäftigungsprogramm für die Internierten gedacht war.

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