Wenn die Kleinen nicht mehr mögen

Mit dem ersten Kind ist nicht Schluss. Im Gegenteil. Mit Neugier auf die Natur und etwas Entdeckergeist lässt es sich mit Kindern prima wandern. Das Testteam von WANDERN.CH hat die Kinder in das Tuch, den Beutel, den Rucksack und in den Wagen gepackt und ist losgezogen.

Rémy Kappeler, Markus Ruff

Die kritischsten Tester lassen sich am liebsten tragen oder ziehen – jedenfalls bis die Neugier zum nächsten Mal erwacht.

Aus dem Magazin WANDERN.CH 5/2015

Etwas komplizierter wird es schon, wenn sich so ein Kleines einschleicht, zugegeben. Aber meist nicht so kompliziert, wie viele meinen. Denn wenn die Vorbereitung erledigt ist, steht dem Abenteuer nichts mehr im Weg. Dazu gehört auch die Frage nach einer Transportmöglichkeit für die Kleinen. Eine Patentlösung gibt es nicht: Ein Baby hat andere Ansprüche als ein Kleinkind, und auch die Eltern unterscheiden sich. Wer sich aber etwas mit den Tragesystemen auf dem Markt befasst, findet schnell die passende Kombination. WANDERN.CH hat aus den Tragesystemen für jedes Alter einige ausgewählt: ein Tragetuch, zwei Tragebeutel, vier Rucksacktragen und einen Outdoorkinderwagen. Ein dehnbares Tragetuch ist nach der Geburt ideal, ab sechs Monaten ist dann ein rasch montierbarer Tragebeutel praktisch, das Ein- bis Zweijährige wechselt schliesslich in die Rucksacktrage. Im Testteam waren denn auch Kinder verschiedener Altersklassen mit dabei, vom Baby bis zum Fünfjährigen. Ein Fazit konnten alle zurückmelden: Mit Kindern zu wandern, macht einfach Spass

Warum tragen?

Wer gerne mit Kindern in der Natur unterwegs ist, wird sich diese Frage wohl nicht stellen. Es geht einfach nicht anders. Tragen ist – besonders für Babys – eine natürliche Sache: Durch liebevollen Körperkontakt schafft Tragen Geborgenheit und eine Bindung zwischen Eltern und Kind. Und manchmal ist es auch einfach nur praktisch: Man hat beide Hände frei für Wanderstöcke, Karte und Fotoapparat. Noch bis vor etwa 160 Jahren war es auch bei uns ganz normal, dass Mütter ihre Babys am Körper trugen. Bis die Engländer den Kinderwagen erfanden.

Wer mit Kindern wandert, muss anders planen und mehr Zeit einberechnen. Auch mit Kindertragesystemen empfiehlt sich dies, sitzen die Kleinen doch nicht immer ruhig hinten im Rucksack. Sie wollen selber die Umgebung entdecken, sie wollen Teil der Wanderfamilie sein. Auch kann es in einer Trage langweilig werden, oder es wird den Kindern kalt. Deshalb ist es wichtig, sich wie für das Wandern mit Kindern mindestens eineinhalb bis doppelt so viel Zeit zu nehmen als ohne. Mit Kindern unter Zeitdruck zu wandern, ist alles andere als spassig.

In Tuch und Beutel

Bei Neugeborenen bieten sich Tragetuch und Tragebeutel an. Was besser ist, hat mit den Vorlieben der Eltern zu tun. Das Tragetuch hat einen grossen Vorteil: Wer bereit ist, etwas Zeit in die verschiedenen Bindetechniken zu investieren, kann das Kind von Geburt an bis ins Kleinkindalter tragen. Wichtig ist, dass man die Technik bei einer erfahrenen Person lernt. Falsch oder zu locker gebundene Tücher können für das Baby gefährlich sein. Auch zum Wandern sind Tragetücher geeignet: Sie regulieren die Temperatur von Kind und Träger automatisch, die Eltern wissen immer, ob das Kind genug warm hat. Einzig bei heissen Temperaturen ist das Tuch weniger geeignet – allerdings schwitzt man dann mit allen Tragebeuteln: Der Beutel, bei dem das Kind nicht direkt am Körper ist und die Eltern deshalb nicht schwitzen, muss noch erfunden werden.

Tragebeutel sind für Neugeborene nur geeignet, wenn sie wie die Manduca einen Sitzverkleinerer oder wie der Ergo Carrier einen Babyeinsatz besitzen. Wenige Monate nach der Geburt sind sie aber einsatzbereit. Ihre Vorteile: Sie können schnell vorne oder hinten montiert werden, sind sicher und erfordern weder viel Anleitung noch Übung noch Können. Sie sind aber je nach Hersteller weniger gut an die Statur der Träger anpassbar, gerade auch, wenn diese keine Normalmasse haben: Rücken- oder Schulterschmerzen können im Vergleich mit dem Tuch häufiger auftreten.

Egal ob Tuch oder Beutel, beide fördern – die richtige Sitzposition vorausgesetzt – das Reifen der Hüftgelenke vom Baby. Das Wandern mit einem Kind auf der Brust ist aber nicht jedermanns Sache: Es ist anstrengender und verlangt ein anderes Gleichgewicht. Sobald die Kinder ihren Kopf selber halten können, ist es möglich, sie auf dem Rücken zu tragen. Tuch wie Beutel haben einen grossen Vorteil gegenüber einer sperrigen Rucksacktrage: Sie sind klein verstaubar, unterwegs wie zu Hause. Wenn Kinder also beginnen, selber grössere Strecken zu wandern, ist ein platzsparender Tragebeutel für den Noteinsatz ganz praktisch. Ein Wort noch zur Wanderkleidung bei schlechtem Wetter: Mamalila bietet schicke und funktionelle Jacken an, bei denen vorne oder hinten ein Einsatz mit Kopfloch fürs Kind eingezippt werden kann.

Auslegeordnung mit Potenzial: Dem Abenteuer Wandern steht nichts im Weg.

Auf Papas Rücken

Für Eltern, die mehrmals im Jahr mit ihren Kleinkindern wandern gehen, lohnt sich die Investition in eine Rucksacktrage. Die ist zwar deutlich teurer als ein Tragebeutel, der Komfort ist aber auch besser, und es kann zusätzlich Gepäck mitgeführt werden. Zudem lassen sich Rucksacktragen zu einem guten Preis weiterverkaufen. Sie eignen sich für Kinder, die selber sitzen können und eine gewisse Grösse haben. Sobald die Kleinen circa 15 Kilo schwer sind, ist es an der Zeit, dass sie selber laufen. Ein wichtiges Kriterium für die Eltern ist das Tragesystem: Mit Reservekleidern und Wickelsack ist eine Trage schnell einmal 20 Kilo schwer. Da zahlen sich wie bei einem Trekkingrucksack verstellbare Rückenlänge und Brustgurt aus. Gute Rucksäcke lassen sich schnell und ohne grosse Mühe verstellen, manche gar, ohne dass das Kind aussteigen muss: So können Mutter und Vater den Rucksack während der Wanderung abwechselnd tragen. Am besten, man testet die Rucksäcke gleich im Laden gemeinsam mit dem Kind aus. Vielleicht kann ein Modell gar übers Wochenende ausgeliehen werden? Ebenso soll getestet werden, wie das Pack geschultert wird und wie stabil es am Boden steht: Der Aufstellbügel hilft beim Be- und Entladen, keinesfalls aber dürfen Kinder unbeaufsichtigt alleine im Rucksack stehen gelassen werden.

Der Kindersitz soll in der Höhe stufenlos verstellbar sein. Korrekt eingestellt ist er, wenn das Kinn des Kindes auf der Höhe des Kinnschutzes ist. Ein leicht anpassbarer Gurt hindert das Kind, während des Wanderns auszusteigen. Ein grosses Thema im Praxiseinsatz ist die Schlafposition des Kinderkopfes. Erfahrungsgemäss schlafen die Kinder auf dem Rücken schnell ein, bald schaukelt der Kopf seitlich hin und her oder liegt in einer unnatürlichen Position. Idealerweise kann das Kind den Kopf bequem anlehnen. Bei einigen Produkten ist ein abnehmbares Nackenkissen dabei. Dieses kann auch mit einem aufgerollten Pulli, einem gestopften Socken oder Ähnlichem imitiert werden. Die dauerhafte Montage ist dann aber meist schwierig, eventuell lässt sich etwas mit einem Zusatzriemen machen.

Beachtet werden muss auch, dass sich ein Kind in der Rucksacktrage nicht bewegt wie der Träger: Es muss also genügend vor Kälte, Regen und Sonne geschützt werden. Bei teureren Tragen sind Regenponcho und Sonnendach eingebaut oder werden mitgeliefert, sonst ist es empfehlenswert, sie dazuzukaufen. Fussschlaufen sorgen dafür, dass die Beine weniger einschlafen. Dasselbe Problem kann bei den Armen vorkommen, wenn diese über den Rand hinausschauen. Sie sollten dann wenn möglich in den Sitzbereich gelegt werden. Manche Tragen verfügen zudem über einen kleinen Spiegel. Damit ist es möglich, den Nachwuchs im Blick zu halten. Wer die Rucksacktrage auch zum Reisen einsetzen will, ist froh über ein Mückennetz und über einen Tragesack. Letzterer wird als Schutz gebraucht, um den Rucksack zum Beispiel am Flughafen einzuchecken. Ebenfalls eher fürs Reisen gedacht sind abnehmbare Tagesrucksäcke.

Über Stock und Stein

Mehr für die Mittellandwanderung passt der Outdoorgeländewagen. Im Gegensatz zum Kinderwagen wird er gezogen und überwindet so auch grössere Unebenheiten und schmale Wege, zum Spass der angegurteten Kinder, die so richtig durchgeschüttelt werden. Sie fühlen sich wie im Cabrio, greifen nach Gräsern und Steinen, fühlen den Wind auf dem Gesicht. Geht es runter, hilft eine Scheibenbremse dem ziehenden Papa. Geht es hinauf, wird es – gelinde gesagt – sportlich.

Tragesysteme bergen aber eine Gefahr, und dieser Geländewagen in besonderem Mass: Die Motivation, selber zu wandern, kann ganz schnell ganz klein werden, nur weil da der Papa einen leeren Crossbuggy hinter sich herzieht.

Beispiele von Tragsystemen

Tragetuch Didymos

Das Tragetuch für Neugeborene und Babys ist seit Langem bekannt – warum also nicht auch wandern gehen damit? Die Vorteile: Das Kind ist nahe bei Mama oder Papa, es ist gut geschützt, und der Träger weiss immer, was das Kind macht. Das Tuch wirkt beziehungsfördernd, ist klein verstaubar und pflegeleicht. «Mein Sohn und ich hatten beim Test – bis auf die heissen Sommertage – nie zu kalt oder zu warm», sagt Testerin Patricia Michaud. Mit etwas Übung und einigen Anweisungen hat sie das Binden des Tuchs bald gelernt. Bei Regen ist es aber nicht immer einfach zu verhindern, dass die langen Enden in Pfützen landen. Das Kind kann vorne wie auch auf dem Rücken getragen werden.

Patricia Michaud, Autorin

«Die Temperatur zwischen Baby und Träger regelt sich von selber.»

  • Modell: Didymos-Streifentuch
  • Gewicht: 660 g (Gr. 5)
  • Grössen: 8 (270 – 570 cm)
  • Material: Biobaumwolle
  • Preis: 80 Franken

 

Manduca

Bei der Manduca-Kindertrage ist das Kind nicht so stark eingebunden wie beim Tragetuch. Das ist bei heissem Wanderwetter angenehmer. Das Kind kann vorne wie hinten getragen werden, wobei Wandern mit dem Kind vorne eher unbequem ist, wie Testerin Marina Bolzli festgestellt hat. Die Träger können gekreuzt werden, um den Rücken zu entlasten. Die Manduca hat einen integrierten Sitzverkleinerer, womit das Baby von Geburt an korrekt positioniert ist. Wird es älter, kann der Rücken der Trage verlängert werden. Die Trage kann auch mitgeführt werden, um ältere Kinder bei Müdigkeit auf einzelnen Abschnitten der Wanderung zu tragen. Schlafen die Kinder ein, wird eine Kapuze hochgezogen. Trägt man das Kind hinten, ist dies alleine aber ist schwierig.

Marina Bolzli, Autorin

«Die Manduca ist sehr leicht und auf kleinem Raum zu verstauen.»

  • Modell: Manduca
  • Gewicht: 680 Gramm
  • Material: 55 Prozent Hanf, 45 Prozent Biobaumwolle
  • Preis: 145 Franken

www.sonnenkind.ch

Ergobaby Ventus Carrier

Der Ergobaby Ventus Carrier ist mit der Manduca in vielen Punkten vergleichbar. Während die Kapuze einfacher alleine zu handhaben ist, können die vorgeformten Träger auf dem Rücken nicht gekreuzt werden. Auch hat er keinen Sitzverkleinerer, ein Neugeboreneneinsatz muss zusätzlich gekauft werden. Angenehm beim Wandern fühlte sich das feuchtigkeitsregulierende und temperaturausgleichende Gewebe an. «Mein Sohn ist sofort eingeschlafen. Bei anderen Tragesystemen zwängt er jeweils noch», erklärt Testerin Patricia Michaud. Der Ergobaby ist intuitiv zu bedienen, leicht und gut verstaubar.

Patricia Michaud, Autorin

«Das Bedienen des Ergobaby Ventus ist ein Kinderspiel.»

  • Modell: Ergobaby Ventus Carrier
  • Gewicht: 635 Gramm
  • Material: Polyester
  • Preis: 149 Franken

www.ergobaby.de

Deuter Kid Comfort

Die Trage Deuter Kid Comfort II punktet vor allem beim Komfort für die Kinder: Diese sind im Sitz gut aufgehoben. «Das Kind sitzt eng am Rücken. Das grosse, abnehmbare Kinnpolster und das erhöhte Rückenteil sorgen dafür, dass der Kopf beim Schlafen nicht schaukelt», sagt Testerin Marina Bolzli. Erfahrungsgemäss schlafen die Kinder nämlich schnell ein. Sie können seitlich selber in die Trage einsteigen. Für die Eltern lassen sich Rückenlänge und Hüftflossen schnell an verschiedene Körpergrössen anpassen. Weitere Merkmale: Sonnenund Regenschutz inklusive, Fussbügel, Montagemöglichkeit für eine Trinkblase und viel Stauraum.

Marina Bolzli, Autorin

«Das schlafende Kind ist optimal geschützt, der Kopf schaukelt nicht hin und her.»

  • Modell: Deuter Kid Comfort mit Sonnen-/Regenschutz
  • Gewicht: 3250 Gramm
  • Zusätzlich: Trinkblase
  • Preis: 309 Franken

www.deuter.de

Osprey Poco Plus

Die Osprey Poco Plus sitzt satt am Körper des Trägers und kann einfach der Körpergrösse angepasst werden. Dies sowohl für den Träger wie auch für das Kind. «Bei der Trage fällt auf, dass die zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten intuitiv zu bedienen sind», sagt Tester Rémy Kappeler. So zum Beispiel das Sonnendach, das einfach aus dem Staufach gezogen und montiert wird. Weitere Merkmale: Fussbügel, ein abnehmbares Kinnpolster, Montagemöglichkeit für eine Trinkblase und viel Stauraum.

Rémy Kappeler, Redaktor

«Die Trage ist schnell zu bedienen, ideal bei zwei Trägern.»

  • Modell: Osprey Poco Plus mit Sonnenschutz
  • Gewicht: 3140 Gramm
  • Zusätzlich: Regenschutz, Tragehülle, Trinkblase
  • Preis: 499 Franken

www.newrocksport.ch

Thule Sapling

Der Einstieg in die Outdoorwelt ist dem schwedischen Hersteller von Autodachboxen Thule gelungen: Die Trage Sapling bietet alle Anpassungsmöglichkeiten, die ein guter Wanderrucksack haben muss, und viele durchdachte Details: individuelle und einfache Einstellung von Rückenlänge und Hüftflossen, gutes Fixieren der Kinder, integrierter Sonnenschutz und viel Stauraum in diversen Taschen. «Die Thule Sapling trägt sich auch mit einem grossen Kind immer noch bequem», sagt Tester Nik Bieri. Auffallend sind die breite Sitzfläche und die Riemen, mit welchen die Oberschenkel gestützt werden. Weitere Merkmale: Seiteneinstieg, Fussbügel und eine Lasche zum Draufstehen, damit der Rucksack nicht kippt.

Nik Bieri, Cartoonist

«Eine komfortable Trage mit vielen guten Anpassungsmöglichkeiten.»

  • Modell: Thule Sapling mit Sonnenschutz
  • Gewicht: 3300 Gramm
  • Zusätzlich: Regenschutz, Trinkblase
  • Preis: 399 Franken

www.thule.com

Outdoorwagen Yippieyo

Der Yippieyo vermittelt ein Cabriogefühl: Die ein- bis sechsjährigen Kinder sitzen angeschnallt, aber nicht überdeckt im Geländewagen und sind dabei auf Tuchfühlung mit der Natur und all den Unebenheiten des Weges. «Wir hatten auf unserer Wanderung viel Spass», sagt Tester Rémy Kappeler. Für ihn selber war der Ausflug zu einem Aussichtsturm aber auch anstrengend, weil gleich zwei Kinder zu transportieren waren. Der zwölf Kilo schwere Wagen überwindet bis auf Treppen fast jedes Hindernis und hat durchdachte Details: eine Handscheibenbremse, Räder ohne Speichen, damit keine Finger eingeklemmt werden, und eine fixierte Gepäcktasche. Er ist zusammenlegbar und passt in den Kofferraum. Zudem wird er in Handarbeit in der Schweiz und in Deutschland hergestellt und ist damit stabil und langlebig.

Rémy Kappeler, Redaktor

«Das Wandercabrio macht viel Spass, kostet aber auch Schweiss.»

  • Modell: Yippieyo Crossbuggy
  • Gewicht: 12 Kilogramm
  • Material: Aluchassis, Oekotex-Bezüge
  • Preis: 795 Franken

shop.yippieyo.com

Aus dem Magazin WANDERN.CH 5/2015

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