Was acht Jahre Unterschied beim Familienwandern ausmachen

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02.09.2022 • Wanderpapa

Was acht Jahre Unterschied beim Familienwandern ausmachen

Der 15-jährige Zwergenkönig kommt nun nicht mehr immer mit, wenn wir wandern gehen. Verständlich. Aber ab und zu doch noch, und dann ist mir nicht immer klar, was der Grund dafür ist. Doch was ist schon klar in der Pubertät? Item. Er kam diesmal also mit auf den Gipfel des Föisc bei Piotta im Tessin. Und dann lief das so ab.

Bereits im Auto wird der Altersunterschied meiner Kinder zur Herausforderung. Warum darf der Zwergenkönig das Handy mitnehmen? Und wenn er das schon tut, warum dürfen wir jüngeren Kinder dann nicht auf seinem Handy spielen? Gute Einwände, auf die wir unterdessen schon ziemlich Übung haben mit Antworten. Ist die Handyfrage dann aber mal geklärt – wir einigen uns aufs Geschichtenhören auf dem Handy –, läuft es meist rund. Die Kinder finden ein Spiel, das allen passt, oder sie beschäftigen sich und uns Eltern sonstwie. Zum Beispiel mit einem Suchspiel: Wer sieht durchs Fenster die erste Schweizerflagge? Den ersten Wegweiser? Die erste Gotthard-Rösslipost? (Ja, die haben wir echt gesehen.)

Los geht’s und weg ist er

In Piotta angekommen, geht es bergwärts in der steilen Standseilbahn von Piora. Cool, wie die Autobahn immer kleiner wird, der Stau auf der Autobahn sieht aus wie in einer Modelleisenbahnlandschaft. Bald sind wir oben und damit am Start der Wanderung. Der Check: Sind die Schuhe richtig geschnürt für den Aufstieg, gibt es keine möglichen Druckstellen? Kaum ist der letzte Schuhbändel gebunden, ist der Zwergenkönig auch schon davongezogen. Wenn schon wandern, dann richtig. Und ein Gipfel ist für den Teenie ja ein schönes Wanderziel. «Warte ab und zu auf uns!», rufe ich ihm noch nach.

Ich wandere mit den zwei Jüngeren los. Bereits auf den ersten Metern beginnt es: «Ich habe Bauchschmerzen!», klagt die Zauberfee. «Ich habe keine Kraft mehr!», schliesst sich der Lichterprinz ihr an. Und der Zwergenkönig ist unterdessen wohl schon über alle Berge. So geht das, Wandern mit Kindern zwischen 7 und 15 Jahren.

Bald kommen wir zu einem mit einem Gitter verschlossenen Stollen. Dieser hat auch das Interesse des Zwergenkönigs geweckt, er wartet hier auf uns. Wir schreien in den Tunnel rein und freuen uns am Echo. Und nein, wir schmeissen keine Steine in den Stollen! Was dem Lichterprinzen sichtlich egal ist. Also rasch weiter!

Die Temperatur steigt

Doch die Begleitmusik ändert sich nicht: «Bauchweh!», «keine Kraft!», hallt es in meinen Ohren. Der Lichterprinz hat dazwischen schon länger begonnen, den Zwergenkönig so lange und trotz aller «Stopp!»-Ansagen des grossen Bruders zu provozieren, dass dieser fast verzweifelt. Es ist Zeit fürs Picknick, schliesslich ist auch schon 17 Uhr, die Hinfahrt über den Gotthard hat unseren ursprünglichen Zeitplan ziemlich auf den Kopf gestellt. Zum Glück spielt das Wetter mit, und ich hoffe auf einen tollen Sonnenuntergang auf dem Gipfel – die Dämmerung wird uns dann genügend Zeit lassen, um bei Licht zum Rifugio Lago Ritom zu wandern.

Es geht weiter – «Bauchweh!», «keine Kraft!», «Warte ab und zu auf uns!» und, nur denkend: «Langsam reichts mir!». «Bauchweh!», «keine Kraft!», «Warte ab und zu auf uns!», denkend: «Jetzt habe ich dann genug!». «Bauchweh!», «keine Kraft!», «Warte ab und zu auf uns!», launig maulend: «Jetzt reichts, hört auf!».

Lustig, jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, fühlt sich das gar nicht mehr streng an. In Erinnerung bleiben die Seilbahnfahrt, der Gipfel, das Baden im Bergsee. Diesen Gedanken muss ich mir gleich festhalten fürs nächste Mal. Und an ihn denken, wenn mich meine Kinder immer und immer wieder genüsslich als Supermotivator auflaufen lassen. «Im Nachhinein wird dein Genervtsein nur mehr eine Erinnerung ohne grosse Emotionen sein», werde ich mir dann ganz cool sagen.

Ein Kränzchen für den Zwergenkönig

So erreichen wir die Baumgrenze. Nun können wir einen ersten Blick auf den fast leeren Stausee Lago Ritom und unsere heutige Unterkunft werfen. Das lenkt ab. Und gnädigerweise wandert der Zwergenkönig ab jetzt mit uns. Wir suchen dem Alphabet nach Tiere, Ortschaften, Namen. Plötzlich läufts rund und wir stehen vor dem kleinen Rifugio etwas unterhalb des Gipfels. Und schauen auf die obere Leventina und in die untergehende Sonne. Noch ein paar Meter und wir sind beim Gipfelkreuz: «Hurra!», «Hurra!», rufen wir. «Können wir endlich weiterwandern?», der Zwergenkönig.

Der Rest ist schnell erzählt. Beim Abstieg suchen wir Namen, die mit dem Schlussbuchstaben des vorigen Namens beginnen. Verwirren mit unseren Pfiffen einige Murmeltiere. Und verlieren kein Wort mehr über Bauchweh oder zu wenig Kraft. Das Rifugio wartet, und morgen eine Übernachtung in der Capanna Cadagno.

Der Zwergenkönig hat es wieder einmal geschafft. Und ich zolle ihm Respekt für seine Geduld. «Mit jüngeren Geschwistern wandern ist anstrengend, aber der Gipfel und der Bergrücken am letzten Tag waren cool», erzählt er. Und wir planen eine Mehrtageswanderung zusammen mit seinen gleichaltrigen Freunden.

P.S. Eine Dreitagestour für Anfänger

Die Gegend rund um den Piorasee eignet sich ideal für eine erste dreitägige Wanderung mit kleinen Kindern. Das Rifugio Föisc ist eine einfache Selbstkocherhütte, hat acht Schlafplätze, ist gut ausgerüstet und kostet nicht die Welt. Am zweiten Tag wandert man an drei Seen vorbei – Lago Ritom, Lago di Tom und Lago Cadagno – und badet in den zwei letzteren. Nach der Übernachtung in der nicht ganz einsamen Capanna Cadagno geht es am dritten Tag idyllisch über Pinett zurück zur Piorabahn (Achtung: von der Staumauer zur Bahn auf dem Asphaltsträsschen wandern, der anderen Wanderweg birgt zu viele Höhenmeter). Siehe auch Wandervorschlag Nr. 2003 im Archiv der Schweizer Wanderwege.

Wanderpapa

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